Eine Ärztin fürs Schloss

Gudrun Hetzel ist Gefäßchirurgin. Sie hat sich in das Schloss Gröditz verliebt. Nun verbindet sie Arbeit und Freizeit hier.

Von Kerstin Fiedler

Gröditz. Herzlich willkommen im Schloss Gröditz. Schlossherr Beat von Zenker zu Pommritz und die neue Schlossbewohnerin Dr. Gudrun Hetzel freuen sich über jeden Fortschritt, den das Schloss erfährt. Zum Beispiel den, dass es dort nun eine Wohnung gibt.

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Gerade zwei Jahre ist es her, dass Gudrun Hetzel auf dem Pilgerweg war und dabei auch Station in Gröditz machte. Ihr gefielen Schloss und Park, und sie kam mit dem Schlossherrn ins Gespräch. Das war dann wohl der Beginn einer Freundschaft und für die Gefäßchirurgin der Beginn einer Überlegung, sich noch einmal neu zu orientieren. „Ich war sofort fasziniert von dem, was hier in Gröditz passiert“, sagt sie. Und wurde Mitglied im Förderverein Pro Gröditz. Immer häufiger verbrachte sie ihre Freizeit in Gröditz. Sie holte eine Fotoausstellung ins Gotische Haus, um es bekannter zu machen. Sie ackerte mit beim Parkseminar, und sie besorgte für zwei junge Ärzte Doktorandenthemen vor Ort – mit dem medizinischen Hintergrund der Schlossnutzung. Und irgendwann wurde die Frage, warum sie denn nicht hierherziehen würde, immer häufiger gestellt.

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Neue Wege gehen

„Klar, das wäre eine Entscheidung, die reiflich überlegt sein musste“, sagt Gudrun Hetzel. Doch wann, wenn nicht vor ihrem 50. Geburtstag, sollte sie noch einmal neue Wege beschreiten, fragte sich die 48-Jährige. Und da kam ihr tatsächlich der Zufall zu Hilfe. In der Zeitung las sie eine Anzeige, dass eine chirurgische Praxis in Neugersdorf zu übernehmen sei. Im dortigen medizinischen Versorgungszentrum ging ein Chirurg. Also fuhr sie hin, schaute sich alles an, sprach mit den Kollegen – und überlegte, wo sie denn dann wohnen sollte. Doch das war für Beat von Zenker kein Hindernis. Er ging in die Spur und ließ im Schloss eine Wohnung ausbauen. Über 100 Quadratmeter auf zwei Etagen mit Wohnzimmer, Küche, Wäsche- und Bügelzimmer, Bad, einem Arbeitszimmer mit Blick auf die Pilgerherberge und einem Schlafzimmer, das für ihre Größe in der Höhe gerade so ausreicht und somit sehr gemütlich wirkt. Stein- und Parkettfußböden wurden erhalten und erneuert, Leitungen verlegt, Nachtspeicheröfen aufgebaut. „Es ist eine tolle Wohnung, sehr praktisch und doch gemütlich“, schwärmt Gudrun Hetzel. Am meisten gefällt es ihr, dass sie früh von der Sonne geweckt wird, die von der Skala aus in die Fenster scheint. Am 1. April begannen die Bauarbeiten, am 9. Juni zog sie ein.

Sich heimisch fühlen

Und fühlt sich jetzt schon heimisch. Denn ganz „nebenbei“ hat Gudrun Hetzel nun auch das Veranstaltungsmanagement des Schlosses übernommen. „Wir merken schon jetzt, wie gut es ist, wenn jemand vor Ort im Schloss ist und alles koordiniert“, sagt Beat von Zenker. Und die agile, scheinbar immer gut gelaunte Ärztin, die aus dem Erzgebirge stammt, hat Spaß daran. „Ich sage aber den Leuten auch, dass ich das nicht gelernt habe und als Laie hier verantwortlich bin“, betont Gudrun Hetzel. Erst am vergangenen Wochenende bereitete sie gemeinsam mit Freunden und Vereinsmitgliedern eine Hochzeit vor. Mit ihrer Arbeit lässt sich das gut vereinbaren, findet sie, denn es gibt keine Nachtdienste mehr, außerdem finden weniger große Operationen statt.

Bekannte Gesichter entdecken

Gudrun Hetzel lernte in Leipzig den Beruf einer Krankenschwester. „Ich durfte damals nicht studieren“, sagt sie. Aber immerhin ließ die DDR sie das Abitur machen. Dann arbeitete sie ein Jahr im Katharinenhof Großhennersdorf. Und wurde an einem ihrer ersten Arbeitstage damit überrascht, dass eine Bewohnerin, die sie vor so vielen Jahren dort kennengelernt hat, bei ihr in der Praxis stand. „Manche Gesichter vergisst man eben nicht“, sagt Gudrun Hetzel. Selbst hat sie keine Kinder, dafür aber in Dresden, Leipzig, Thüringen und im Erzgebirge fünf Patenkinder. Und das aus Oderwitz hilft jetzt schon gern im Schloss mit. Nach der Wende bewarb sich Gudrun Hetzel dann noch einmal zum Studium, das sie dann in Leipzig absolvierte. Die Facharztausbildung folgte in Nürnberg. Sie ging ans Klinikum Döbeln, wo sie zuletzt Oberärztin war.

Nun hat sie ein neues Zuhause, eine neue berufliche Herausforderung und eine ehrenamtliche Aufgabe, auf die sie sich sehr freut. „Ich möchte das Gotische Haus zu einem Platz der Begegnung entwickeln“, sagt sie, die „auf keinen Fall der Typ Prinzessin“ ist. Sagt es, und lacht herzlich.

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